Stärkung der Widerstandsfähigkeit der konfliktbetroffenen Bevölkerung Sudans durch integrierte, sektorübergreifende und One-Health-Maßnahmen

Der Nil als Lebensquelle - Ein Projektbericht von Anke Pahlenberg

Das Projekt im Überblick.

  • Integrated Development and Resilience Initiative in South Kordofan and Blue Nile States

    Offizieller Projektname

  • BMZ

    Geber

  • 6,500,000 €

    Budget

  • 01.07.2021 – 30.06.2025

    Dauer

Im Juli 2021 begann ein vom BMZ gefördertes vierjähriges Projekt zur Unterstützung der regionalen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei im Sudan, genauer gesagt in den beiden Bundesstaaten Dschanub Kurdufan und an-Nil al-azraq. Im Norden wird die Region vom Blauen Nil durchflossen, der ihm auch seinen Namen gibt, Blue Nile.

Der Blaue Nil läuft durch den Osten des Sudans und durch das Hochland von Äthiopien. Er ist zusammen mit dem Weißen Nil einer der Hauptstränge des Nils und seit jeher von immenser Bedeutung. Das Hochwasser des Blauen Nils ist seit Jahrtausenden lebensbringend und überlebenswichtig für die Menschen im Sudan und in Ägypten. In der Regenzeit, die jedes Jahr zwischen Juni und September einsetzt, transportiert der Nil ein Vielfaches an Wasser und sorgt somit für die Nilschwemme, die für die Landwirtschaft in Ägypten seit jeher von grundlegender Bedeutung ist. Bereits vor 5.000 Jahren nutzten die Ägypter diese Flut zur systematischen Bestellung ihrer Äcker und entwickelten sich mit dieser Technik zu einem der wohlhabendsten Königreiche der Welt.

Bis in die römische Antike entfaltete sich Ägypten zur Kornkammer des gesamten Mittelmeerraums. Die Bedeutung der Nilschwemme und des Nilwassers war schon immer immens und während des gesamten Altertums auch göttlich. Jede Person, die im Nil ertrank, wurde automatisch ebenfalls zum Gott. Die natürliche Bewässerung des Hochwassers befeuchtete die Felder und die fruchtbaren Stoffe des Nilschlamms düngten sie. Auch der Sudan zählt zu den ältesten Hochkulturen der Welt und der Blaue Nil wird als lebensspendender Fluss daran einen großen Anteil haben. Die ältesten Siedlungsspuren sind bis in das 5. Jahrtausend vor Christus zurückzuführen.

Heute ist der Sudan sowohl durch die geografische als auch die demografische Vielfalt einzigartig.

Mit mehr als 50 ethnischen Gruppen und mehr als 160 unterschiedlichen Sprachen ist die Heterogenität der Bevölkerung komplex. Der Sudan ist fünf Mal so groß wie Deutschland und hat etwa 42 Millionen Einwohner. Etwa 4,8 Millionen von ihnen leiden aufgrund ständiger Krisen und Konflikte, aber auch aufgrund unsteter klimatischer Verhältnisse an Unterernährung.

Das Ziel? Die klimaresiliente Gestaltung der regionalen Landwirtschaft.

Die Region des Blauen Nils grenzt nur nördlich an andere sudanesische Bundesstaaten. Dschanub Kurdufan liegt westlich davon und ist durch eine südsudanesische Landzunge von Blue Nile getrennt. In beiden Bundesstaaten wurden insgesamt 24 landwirtschaftliche Gruppen, sechs Fischerei-Teams sowie 12 Jugend- und Frauengruppen mit unterschiedlichen Lern- und Ausbildungszielen gegründet. Die landwirtschaftlichen Gruppen bestehen vor allem aus Kleinbauern, aber auch aus Mitgliedern unserer Organisation. Das Ziel ihrer Arbeit besteht darin, die regionale Landwirtschaft zu fördern, auszubauen und klimaresilienter auszugestalten. Das Hauptproblem der beiden Regionen liegt vor allem an andauernden Krisen, die eine Versorgungssicherheit nicht ermöglichen.

Mit unserem Projekt wollen wir sowohl die Ernährungslage verbessern als auch die Grundversorgung sichern, und somit auch die Widerstandsfähigkeit der Menschen.

Unser Mitarbeiter Esmael Altaib koordiniert die Arbeitsgruppen im Sudan und beschreibt, wie sehr eine erfolgreiche Umsetzung des vom Auswärtigen Amt geförderten multisektoralen Projektes auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Gemeinschaften eingehen und bestenfalls auch zur Friedenssicherung beitragen kann.  Das größte Problem ist die Tatsache, dass es sowohl sesshafte Landwirt*innen als auch Pastoralist*innen gibt, die sich gegenseitig immer wieder überfallen. Außerdem liegen der Südsudan und das umkämpfte Abyei-Gebiet in der direkten Umgebung. Der Leiter unseres Büros im Sudan, Esmael Tessema, musste somit am Anfang des Projektes die Entscheidungen treffen, welche Vertreter*innen aus welchen Wirtschaftsformen und welchen Regionen in das Programm und somit in die Arbeitsgruppen aufgenommen wurden. Wir halten als Organisation den Fokus darauf gerichtet, alle Gruppen fair und gerecht zu unterstützen. Die unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten oder die Herkunft spielen für unsere humanitäre Hilfe keinerlei Rolle, wir behandeln alle Menschen gleich. Im Sudan gibt es jedoch sehr schwerwiegende Konflikte zwischen Muslimen, Christen, Animisten und Vertreter*innen anderer Religionen. Da ist große Sensibilität und Aufklärungsarbeit gefragt, wenn es darum geht, die ersten Schritte eines Programms zu gehen. Die Arbeitsgemeinschaften werden aufwendig ausgewählt und bestimmt. Außerdem sind bis 2025 insgesamt 24 friedensfördernde Events geplant, wie Theaterstücke oder Sportveranstaltungen, die die Bevölkerung miteinander versöhnen und zusammenbringen sollen.

Wer erhält Hilfe?

Die Bestimmung der Gruppen kann manchmal bis zu einem Jahr dauern und die Entscheidungsprozesse sind sehr sensibel. Ein Mitarbeiter von uns, der auch aus einem der Dörfer kommt und die unterschiedlichen Clans kennt, koordiniert das Prozedere. Es wird dafür zunächst der Ältestenrat einberufen, der sich in einer oder mehreren Sitzungen für die entsprechenden Kandidat*innen ausspricht und Empfehlungen abgibt. Danach werden dann mehrere unterschiedliche Sitzungen einberufen, in denen das Team zusammengestellt wird. ToGeV hat für dieses Projekt extra sieben Festanstellungen geschaffen, damit die Arbeit vor Ort gebündelt werden kann und die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk in die unterschiedlichen Clans gewährleistet ist. Die Bedürfnisse können somit besser identifiziert und effizient angegangen werden. Das Projekt wird die Beteiligung aller Interessensgruppen fokussieren. Somit haben wir nicht nur den wirtschaftlichen Aufbau im Blick sondern auch den friedensbildenden Aspekt. Das Projekt wird sinnvolle Interaktionen stärken, einschließlich den Handel zwischen den unterschiedlichen und teils verfeindeten Gemeinschaften. Dafür setzen wir mit dem Programm auch zehn Vermarktungskooperationen ein, führen Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen durch und stellen Gründungsstipendien zur Verfügung.

150.000 Setzlinge für zwei lokale Baumschulen

In den Arbeitsgruppen steht inhaltlich nicht nur der Anbau und die Zucht robuster Getreidesorten im Fokus, sondern auch die weitere Verwendung der Produkte, wie zum Beispiel die Gerberei. Es werden ebenfalls mehrere lokale- und bundespolitische Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich mit den Ansätzen und der Umsetzung von One Health beschäftigt. Gerade im Hinblick auf die Klimakrise muss besonders viel Wert darauf gelegt werden, zukunftsorientiert, nachhaltig, widerstandsfähig und vor allem sektionsübergreifend zu arbeiten. Dazu gehört auch der Auf- und Ausbau einer flächendeckenden Wasserversorgung sowie ein Aufforstungsprogramm. Zwei lokale Baumschulen müssen saniert werden und erhalten danach noch 150.000 Setzlinge.

Impfkampagne für 500.000 Nutztiere

Der veterinärmedizinische Ansatz wird durch ein Ausbildungssystem abgedeckt. Ein schulischer Fokus liegt vor allem auf der Tierseuchenbekämpfung und der Seuchenüberwachung. Außerdem wird eine Impfkampagne geplant, die 500.000 Nutztieren zugute kommen soll. Das Ziel der Fischerei-Arbeitsgruppen ist es, neue Fangtechniken zu entwickeln, die Netzherstellung zu optimieren und den Bootsbau auszubauen. Ein weiterer Fokus liegt auf gemeinschaftlichem Engagement und die damit verbundene Stärkung mit externen Märkten und Partnern.

Wenn es erst einmal eine stabile Grundversorgung an Infrastruktur gibt, dann kann man auch damit beginnen, zukunftsorientiert zu planen und zu arbeiten. Die nachhaltige Verbesserung der Lebensqualität mithilfe eines regelmäßigen Einkommens ist das erklärte Ziel unseres sudanesischen Projektes. Es ist der Garant für den Aufbau stabiler Lebens- und Geschäftsmodelle. Langfristig soll durch die Einführung verbesserter und resistenter Technologien die landwirtschaftliche Produktion und die Qualität der Nahrungsmittel verbessert werden. Esmael Altaib erklärt, wie wichtig die Umsetzung dieses multisektoralen Projekts ist, um ganzheitlich auf die Bedürfnisse und Prioritäten der Zielgemeinschaften einzugehen. Gerade steckt unser Programm noch in den Kinderschuhen, aber die Arbeitsgruppen haben sich schon gefunden. In den nächsten vier Jahren gibt es viel zu tun. Tierärzte ohne Grenzen hat im Sudan 27 neue Kolleg*innen eingestellt, die die Projekte begleiten und koordinieren.

Wir werden wieder davon berichten.

Damit wir alle für die Veränderung des Klimas gewappnet sind!

Ihre Spende für eine klimaresiliente Zukunft!

Sie haben Fragen zum Projekt?

Melden Sie sich gerne bei mir!

Rickie Klingler

Referent*in Humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit

Rickie.Klingler@togev.de