Wem helfen wir?

Jedes Jahr können wir in unseren Projekten weit über eine Million Menschen und über 7 Millionen Tieren erreichen. Meist leben sie in pastoralen Lebensformen – am besten vergleichbar mit dem früheren Schäfer in Europa, auch alpine Pastoralist*innen genannt. Aber was ist eigentlich Pastoralismus? Was sind Pastoralist*innen? Und warum ist diese Lebensform so gefährdet?

Was ist Pastoralismus?

Pastoralismus ist eine Form der Wanderviehhaltung, bei der Viehhalter*innen ihre Tiere im Jahreszyklus auf unterschiedliche, teilweise mehrere hundert Kilometer entfernte Weideflächen führen. Die weiträumige Wanderung (Migration) erfordert das Führen eines mobilen Hausstands, das heißt, dass Pastoralist*innen ihren Wohnort temporär, entlang der Wanderungsroute verlegen. Pastoralismus ist eine Lebens- und Wirtschaftsform, die groben Schätzungen der FAO zufolge von ca. 200 Millionen Menschen betrieben wird.

Was macht den Pastoralismus so besonders?

Die Wanderung der Pastoralist*innen ist eine Anpassungsstrategie an das Leben in trockenen Klimazonen, in denen der Ackerbau keine ausreichende Lebensgrundlage liefert. In nahezu allen Trockengebieten der Erde, wo Weideflächen nicht das gesamte Jahr über ausreichend Futter liefern, finden sich pastorale Weidesysteme, z.B.  in Regionen mit ausgeprägter Trocken- und Regenzeit (z.B. Sahelzone und Ostafrika), in Bergregionen mit begrenzenten Weideflächen im Tal (z.B.: Alpen, Anatolien und Kaukasus), oder in weiten Steppenregionen Zentralasiens (z.B. Usbekistan und Mongolei).

Pastoralist*innen leben in engstem Kontakt mit ihren Tieren. Sie sind hervorragende Herdenmanager*innen und züchten Rassen, die optimal an die klimatischen Herausforderungen ihres Lebensumfelds angepasst sind.  Sie tragen damit zum Erhalt einer großen Zahl von hochspezialisierten, hitzetoleranten Kamel-, Rinder-, Schaf- und Ziegenrassen bei.

Während der Migration sind die Pastoralist*innen unter harten Umweltbedingungen meist völlig auf sich gestellt und hohen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Die Beschaffung von Wasser, Nahrung und Energie, und auch die eigene Gesundheitspflege und die der Herde muss von der eigenen Familie, die zeitweise völlig fernab anderer Menschen lebt, bewerkstelligt werden. Das mobile Leben und die extreme Abgeschiedenheit der Siedlungsorte erschwert, insbesondere für Mädchen, den Zugang zu Bildung.

Der Pastoralismus ist eine extensive Form der Viehhaltung, die in ihrer ursprünglichen Form, in der Graswachstum und Weidenutzung ausgeglichen sind, zum Erhalt der globalen natürlichen Grasländer (einer der wichtigsten CO2-Senken weltweit) beiträgt. Um eine nachhaltige Nutzung von Weiden sicherzustellen, verfügen Pastoralist*innen über komplexe soziale und kulturelle Regelsysteme, die von gegenseitigem Geben und Nehmen (Reziprozität) geprägt sind. Sie nutzen ihre Weiden als Gemeineigentum (Allmende) in streng reglementierter Weise und reagieren mit kooperativen Vereinbarungen und abgestimmten Wanderungsbewegungen auf Verknappung von Ressourcen, z.B. in Zeiten der Dürre. Diese Regeln und Kooperationen sind der Kern einer nachhaltigen Nutzung der sensiblen Ökosysteme, wie sie Pastoralist*innen für Jahrtausende praktiziert haben.

 


© Henry Fuchs

© Tierärzte ohne Grenzen e.V.

Ist der Pastoralismus in Gefahr?

Heute ist die langfristige Nachhaltigkeit des Pastoralismus bedroht, weil Pastoralist*innen ihre weitläufigen Migrationszyklen nicht aufrechterhalten können. Die Gründe liegen meist im Verlust von Land- und Weiderechten, z.B. wegen des fortschreitenden Bevölkerungswachstums und der Vergrößerung von Siedlungsflächen oder einer Umwandlung von Weideland in Ackerflächen und oft auch in Flucht vor gewalttätigen Auseinandersetzungen. Außerdem stellt die schlechte Versorgung mit den notwendigsten staatlichen Dienstleistungen wie Gesundheits- und Tiergesundheitsdiensten, Bildung sowie fehlende Notfallhilfe weitere Gründe für die Ansiedlung und Verkleinerung von Migrationszyklen dar. Heute existieren daher viele Mischformen, in denen Ackerbau und reduzierte Migrationszyklen kombiniert werden oder bei denen nur ein Teil des Hausstandes die Wanderung mit den Tieren vollzieht.

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Mascha Kaddori

Referentin One Health und Scientific Affairs

mascha.kaddori@togev.de