Unterstützung ehemaliger Kindersoldat*innen

Zwischen 2005 und 2022 haben die Vereinten Nationen 105.000 Fälle von Kindern verifiziert, die weltweit Teil nationaler Armeen oder bewaffneter Gruppen eingesetzt wurden. Südsudan gehört zu den Staaten, in denen besonders viele Jungen und Mädchen zur Teilnahme an Kampfhandlungen oder dem Dienst in bewaffneten Gruppen gezwungen wurden. Diesen jungen Menschen nach ihrer Freilassung eine Perspektive und damit eine Rückkehr in die Gesellschaft zu ermöglichen, war Ziel dieses Projektes.

Rechenunterricht bei der Berufsaubildung in Juba, Südsudan

Das Projekt im Überblick

  • Provision of Integrated Child Protection in Emergency Services in Pibor (Jonglei), Tonj North (Warrap) and Cueibet (Lakes) counties.

    Offizieller Titel

  • Unicef

    Geber*in

  • 333.643

    Budget

  • Mai 2021 – Juli 2022

    Dauer

Hintergrund

Die Rekrutierung und der Einsatz von Kindersoldat*innen sind im Südsudan weit verbreitet. UNICEF schätzt, dass etwa 19.000 Kinder von bewaffneten Kräften und bewaffneten Gruppen im Südsudan eingesetzt werden. Diese Entwicklung hängt eng mit der konfliktbehafteten Geschichte des Landes und den – auch dadurch verursachten – schlechten Lebensbedingungen für die Mehrheit der südsudanesischen Bevölkerung zusammen. Ungeachtet der Gründe stellt jeder Einsatz von Kindern durch Armeen und bewaffnete Gruppen eine schwere Verletzung von Kinderrechten dar; er gilt sogar als Kriegsverbrechen, wenn es sich um Kinder unter 15 Jahren handelt.

Das Projekt

Nach dem offiziellen Ende des Bürgerkrieges 2018 wurden im gesamten Südsudan Kindersoldat*innen freigelassen. So auch im Bezirk Pibor in der Region Jonglei. Krisengeschüttelt, von schweren Überschwemmungen und Konflikten zwischen Gemeinden gekennzeichnet, kehrten die Jungen und Mädchen in eine von Gewalt und Armut geplagte Region zurück. Um ihnen eine nachhaltige Integration in ihre Herkunftsgemeinschaften zu ermöglichen, führte Tierärzte ohne Grenzen zusammen mit UNICEF Maßnahmen durch, die Perspektiven eröffneten und wirtschaftliche Sicherheit schufen. Hierfür erhielten insgesamt 1.699 Kinder und Jugendliche die Möglichkeit einer Ausbildung oder einen Grundstock an Geflügel oder Ziegen.

Ausbildungen

Mit dem Wissen aus den überwiegend praktischen Ausbildungen in Handwerksberufen – wie Schweißer*in, Schneider*in oder Mechaniker*in – kehrten die jungen Menschen in ihre Herkunftsgemeinden zurück. Ein Mehrwert für alle: Die Jugendlichen konnten von der Gemeinschaft dringend benötigte Dienstleistungen anbieten. Gleichzeitig verschafften sie sich ein Einkommen und Anerkennung. Besonders deutlich wurde dieser Effekt bei der Ausbildung zu kommunalen Tiergesundheitshelfer*innen. Die 60 jungen Menschen können mit dem erlernten Wissen unmittelbar zur Stärkung pastoraler Gemeinschaften beitragen.

Ausbildung ehemaliger Kindersoldat*innen zu Friseur*innen

Versorgung mit Tieren

Neben der Möglichkeit, Ausbildungen zu absolvieren, hat Tierärzte ohne Grenzen Nutztiere an ehemalige Kindersoldat*innen und Kindern aus einkommensschwachen Familien vergeben. Sie wurden in der artgerechten Haltung und im Erkennen möglicher Krankheiten geschult. Darüber hinaus wurde ihnen Material zur Verfügung gestellt, um die Unterbringung und Pflege ihrer Nutztiere zu gewährleisten. Tierärzte ohne Grenzen stellte außerdem Kontakte zu den von der Organisation ausgebildeten kommunalen Gesundheitshelfer*innen her. So wurde die veterinärmedizinische Versorgung der Tiere sichergestellt.

ToGeV-Teammitglieder übergeben Ziegen an ehemalige Kindersoldat*innen

Warum Geflügel?

Die Erfahrungen von Tierärzte ohne Grenzen zeigt, dass sich Geflügel besonders gut eignet, um nachhaltige Möglichkeiten zur Ernährungssicherung im Rahmen von Wiedereingliederungsmaßnahmen zu schaffen. Geflügel vermehrt sich schnell und stellt eine wichtige Proteinquelle dar. Darauf basierend kann Geflügel rasch als zusätzliche Einkommensquelle aufgebaut werden. Überschüssige Vögel oder Produkte können auf lokalen Märkten verkauft werden.

Huhn

Mazes Geschichte

Maze war Kindersoldat und ist eines der Kinder, die an dem Projekt teilgenommen haben. Seine Geschichte ist eine Geschichte von Hoffnung und Durchhaltevermögen. Sie zeigt außerdem, welche Wirkungskraft Projekte wie das hier vorgestellte entfalten können.

Im Alter von 12 Jahren wurde Maze von den Ältesten seiner Gemeinde gezwungen, sich einer bewaffneten Miliz im Südsudan anzuschließen. Sie wollten, dass er gegen eine rivalisierende Gruppe kämpfte und ihre Gemeinschaft verteidigte. Was Maze dort erwartete, war schrecklich. „Ich vermisste meine Tante und war traumatisiert durch die allgegenwärtige Gewalt. Ich hatte zu viel Angst, um wegzugehen und fürchtete die Konsequenzen, die andere erlitten hatten, als sie versuchten zu desertieren“, erinnert sich Maze. „Außerdem war ich traumatisiert, weil ich jeden Tag Tote sah. Ich wollte nur noch weg.“

Maze gehörte zu den Kindersoldat*innen, die 2019 frei gelassen wurden und für die ein Prozess der Wiedereingliederung begann. Eine entscheidende Rolle für den Erfolg von Maze spielte dabei die Bereitstellung von Geflügel – vier Hühner und ein Hahn –, eine Schulung in deren Pflege sowie Baumaterialien für das Gehege. Dank der von Tierärzte ohne Grenzen e. V. in der Gemeinde ausgebildeten Tiergesundheitshelfer*innen werden Mazes Hühner jährlich geimpft: Damit werden gleichzeitig die Tiere vor Krankheiten geschützt und Sicherheit für eine stabile Zukunft geschaffen. „Meine Hühner sind gesund, vermehren sich beständig und bringen mir ein regelmäßiges Einkommen“, betont Maze. Die Familie kann sich mit Fleisch und den Eiern der Hühner selbst ernähren oder sie auf einem lokalen Markt verkaufen. Mit dem Erlös können wiederum Grundnahrungsmittel, Mazes Schulkleidung oder andere notwendige Dinge bezahlt werden.

Das neue Kapitel in seinem Leben ist ein Beweis für Mazes Mut und Entschlossenheit. Es verdeutlicht auch, dass die Möglichkeiten vorhanden sind, das Leben ehemaliger Kindersoldat*innen im Südsudan – und in anderen Teilen der Welt – positiv zu verändern.

Im Südsudan brauchen viele Kinder Schutz

Um der Wahrnehmung einer besonderen Bevorzugung von ehemaligen Kindersoldat*innen entgegenzuwirken, wählt Tierärzte ohne Grenzen zusätzlich für alle ehemaligen Kindersoldat*innen in gleicher Anzahl aus den gleichen Dörfern Kinder aus sozial schwächeren Familien aus. Dieser Ausgleich geschieht auf Basis des Vertrauens der Dorfbewohner*innen. Es ist die erklärte Aufgabe unseres Vereines, sich dieses Vertrauen in den Gemeinden aufzubauen und sie in unsere Arbeit mit einzubeziehen. Ohne die Akzeptanz der Menschen in den Dörfern würden unsere Maßnahmen und Programme nicht nachhaltig sein und im schlimmsten Fall für (weitere) Konflikte sorgen.