Warum Geschlechtergerechtigkeit auch eine Frage der Tiergesundheit ist
Frauen spielen eine zentrale Rolle in der Nutztierhaltung Ostafrikas – doch ihre Arbeit wird oft unterschätzt. Obwohl sie die Gesundheit der Tiere und damit die Ernährungssicherheit sichern, sind sie häufig gesundheitlichen Risiken ausgesetzt und haben kaum Mitspracherecht. Geschlechtergerechtigkeit ist entscheidend für One Health: Nur wenn Frauen gehört und gezielt gefördert werden, können nachhaltige Lösungen für Mensch, Tier und Umwelt entstehen.

© Tierärzte ohne Grenzen
Gesunde Tiere bedeuten gesunde Menschen – doch wer sorgt eigentlich dafür, dass Tiere gesund bleiben?
In vielen Regionen Ostafrikas sind es vor allem Frauen, die eine zentrale Rolle in der Nutztierhaltung übernehmen. Sie kümmern sich um die Versorgung der Tiere, verarbeiten tierische Produkte und schützen so die Lebensgrundlage ihrer Familien. Doch dabei sind sie oft besonderen gesundheitlichen Risiken ausgesetzt – sei es durch den engen Kontakt mit Tieren, mangelnden Zugang zu Schutzmaßnahmen oder fehlende medizinische Versorgung.
Die Verbindung zwischen Geschlechtergerechtigkeit, Tiergesundheit und One Health ist vielschichtig und entscheidend für nachhaltige Entwicklung. Denn nur wenn Frauen in der Tierhaltung gestärkt werden, können sowohl wirtschaftliche Stabilität als auch der Schutz von Mensch und Tier langfristig gesichert werden.
Frauen in der Tierhaltung: Große Verantwortung, wenig Mitspracherecht
In den Ländern Ostafrikas, darunter Kenia, Äthiopien, Somalia, Südsudan und Sudan, prägt eine tief verwurzelte Arbeitsteilung die Nutztierhaltung. Männer kümmern sich um die wirtschaftlich wertvolleren Tiere wie Rinder und Kamele, während Frauen kleinere Nutztiere wie Ziegen, Schafe und Geflügel pflegen. Diese Arbeitsteilung spiegelt nicht nur kulturelle Normen wider, sondern beeinflusst auch maßgeblich den Zugang zu Ressourcen und die Entscheidungsbefugnisse innerhalb der Haushalte.
Frauen kümmern sich täglich um die Pflege und Versorgung der Tiere, sind jedoch oft von wichtigen wirtschaftlichen und gesundheitlichen Entscheidungen ausgeschlossen. Tierärzte ohne Grenzen setzt sich gezielt dafür ein, Frauen in diesem Bereich zu stärken, indem sie zu Tiergesundheitshelferinnen ausgebildet oder beim Aufbau eigener wirtschaftlicher Existenzen unterstützt werden. Gleichzeitig stehen sie durch den engen Kontakt mit den Tieren vor einem erhöhten Infektionsrisiko.
In Ostafrika, wo der Zugang zu Gesundheitsdiensten in ländlichen Gebieten oft eingeschränkt ist, spielen Frauen in der Nutztierhaltung eine entscheidende Rolle für die Gesundheit ganzer Gemeinschaften. Sie verfügen über umfangreiches Wissen zu traditionellen Heilmethoden und Praktiken zur Behandlung von Tierkrankheiten. Doch weil sie in formalen Gesundheitsbildungsprogrammen oft nicht vertreten sind, geht dieses Wissen verloren – und mit ihm wertvolle Möglichkeiten zur Prävention und Bekämpfung von Krankheiten.
Gesundheitsrisiko Tierhaltung: Warum Frauen besonders gefährdet sind
Der One Health-Ansatz verdeutlicht, wie eng die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt verknüpft ist. Für Frauen in der Tierhaltung bedeutet das: Krankheitsausbrüche in ihren Herden bedrohen nicht nur ihre wirtschaftliche Existenz, sondern auch ihre eigene Gesundheit und die ihrer Familien.
Die tägliche Arbeit mit Tieren birgt für Frauen ein besonders hohes Risiko für Infektionen mit Zoonosen. Besonders häufig treten in Ostafrika folgende Krankheiten auf:
- Brucellose: Übertragung durch den Kontakt mit Rohmilch oder infizierten Tieren. Kann zu Fieber, Gelenkschmerzen und Unfruchtbarkeit führen.
- Rift-Valley-Fieber: Wird beim Schlachten oder durch Tierblut übertragen, verursacht grippeähnliche Symptome bis hin zu schwerem hämorrhagischem Fieber.
- Anthrax (Milzbrand): Befällt Menschen, die mit Tierhäuten, Wolle oder Fleisch arbeiten – unbehandelt kann die Infektion lebensbedrohlich werden.
- Tollwut: Frauen und Kinder sind besonders gefährdet, da sie oft für die Pflege von Haustieren zuständig sind. Ein Hundebiss kann ohne rechtzeitige Impfung tödlich enden.
- Leptospirose: Wird durch den Kontakt mit wasserbasierten Krankheitserregern übertragen, insbesondere in feuchten Gebieten. Frauen, die in der Landwirtschaft und Viehhaltung arbeiten, sind besonders gefährdet.
Um das Risiko dieser Zoonosen zu verringern und die Gesundheit von Frauen, Tieren und Gemeinschaften zu schützen, sind präventive Maßnahmen essenziell. Dazu gehören gezielte Aufklärung, der Zugang zu veterinärmedizinischen Diensten sowie einfache Schutzmaßnahmen wie geeignete Schutzkleidung im Umgang mit Tieren.
Chancen für Frauen: Bildung, Gesundheit, wirtschaftliche Teilhabe
Viele der strukturellen Herausforderungen für Frauen in der Tierhaltung sind eng mit fehlenden Ressourcen, wirtschaftlichen Unsicherheiten und traditionellen Geschlechterrollen verknüpft. In Konfliktregionen wie Somalia, Südsudan und Sudan sind die Bedingungen oft besonders prekär. Frauen und Mädchen tragen hier die Hauptlast der Arbeit in Haushalten und Gemeinschaften, die von Armut und politischer Instabilität geprägt sind. Diese Herausforderungen bieten auch Chancen für gezielte Interventionen. Tierärzte ohne Grenzen engagiert sich aktiv in all diesen Bereichen, um Frauen in der Tierhaltung zu stärken und ihre gesundheitliche sowie wirtschaftliche Situation nachhaltig zu verbessern.
✔ Bildungsprogramme & Schulungen – Durch gezielte Trainings zur Tiergesundheit können Frauen ihre Tiere besser schützen und wirtschaftliche Unabhängigkeit erlangen.
✔ Zugang zu veterinärmedizinischer Versorgung – Mobile Tiergesundheitsdienste und Impfprogramme helfen, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.
✔ Einbindung in Entscheidungsprozesse – Wenn Frauen eine aktivere Rolle in der Tierhaltungspolitik einnehmen, profitieren ganze Gemeinschaften von besseren Strategien zur Krankheitsbekämpfung.
✔ Unterstützung bei wirtschaftlicher Unabhängigkeit – Frauen erhalten gezielte Förderung, um eigene wirtschaftliche Existenzen aufzubauen, beispielsweise im Bereich des Verkaufs von Tierprodukten. Zudem werden sie durch Ausbildungsprogramme befähigt, als Tiergesundheitshelferinnen eine zentrale Rolle in der Gesundheitsversorgung von Nutztieren zu übernehmen.
Wenn Frauen in ihrer Schlüsselrolle in der Tierhaltung gezielt gefördert werden, schützt das nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern trägt auch zur Bekämpfung von Tierkrankheiten, zur Ernährungssicherheit und zur wirtschaftlichen Stabilität ganzer Gemeinschaften bei.
One Health funktioniert nur mit Geschlechtergerechtigkeit
Wer nachhaltige Lösungen für Tier- und Menschengesundheit schaffen will, darf Frauen nicht übersehen. In der Nutztierhaltung sind sie unverzichtbar – doch nur wenn sie Zugang zu medizinischer Versorgung, Schutzmaßnahmen und Entscheidungsbefugnissen erhalten, kann der One Health-Ansatz wirklich greifen.
Geschlechtergerechtigkeit ist kein Nebenschauplatz, sondern ein zentraler Hebel für gesunde Tiere, gesunde Menschen und nachhaltige Entwicklung.
Denn eines ist klar: Ohne Frauen gibt es keine gesunde Zukunft – weder für Tiere noch für Menschen.