Dr. Ezra Saitoti – gemeinsam für ein tollwutfreies Kenia
Seit 2012 arbeiten wir mit Ezra Saitoti im Kampf gegen die Tollwut in Kenia zusammen. Was ihn bewegte, Tierarzt zu werden, warum ihm diese Projekt besonders am Herzen liegt, erfahren Sie in dem folgenden Interview aus 2018.
Warum Ezra ausgerechnet Tierarzt werden wollte, weiß er nicht mehr ganz genau. Vielleicht lag es daran, dass bereits sein Großvater und Vater erfolgreiche Tierärzte in Narok County waren und er so einen guten Einblick in die spannende Arbeit von klein auf gewinnen konnte. Die Entscheidung, in Nairobi Tiermedizin zu studieren und in die Fußstapfen seines Vaters zu treten, hat er jedoch nie bereut. Kann er doch so den vielen Menschen und Tieren in seiner geliebten Heimat im Süd-Westen Kenias helfen und eng mit ihnen zusammenarbeiten. Die Liebe für seinen Beruf und den Umgang mit den Menschen merkt man Ezra jede Minute an. Der Vater von mittlerweile drei Kindern ist ein sehr sympathischer, geduldiger und freundlicher Mann, der es auch durch seine Mehrsprachigkeit immer schafft, den richtigen Ton zu treffen.
Hallo Ezra. Vielen Dank für die Möglichkeit, heute mit dir ein Interview zu führen. Wer bist du und wie lange arbeitest du schon für die Tierärzte ohne Grenzen?
Mein Name ist Dr. Ezra Saitoti und ich komme aus der Massai Mara im Süd-Westen Kenias. Ich bin einerseits selbstständiger Tierarzt in Narok County und arbeite andererseits seit sechs Jahren für Tierärzte ohne Grenzen im Bereich „Rabbies Control“. Ich bin für die Impfungen von Hunden und alle Aktivitäten, die mit der Tollwut-Kontrolle zusammenhängen in Narok County und seit diesem Jahr auch in Nairobi County zuständig. Diese Arbeit macht mir großen Spaß!
Wie schätzt du die Entwicklungen des Tollwut-Projekts bisher generell ein?
Seitdem ich angefangen habe, für Tierärzte ohne Grenzen zu arbeiten, haben wir über 50.000 Hunde geimpft. Für mich ist das ein riesiger Erfolg! Dies hat zu einer deutlichen Senkung der von Hunden übertragenen Tollwut in den Gebieten Narok und Kajiado County geführt. Bevor Tierärzte ohne Grenzen in die Gebiete kam, gab es sehr viele Berichte über Tollwut – sowohl bestätigte als auch unbestätigte. Heute gibt es so gut wie keine Berichte mehr über Tollwut in diesen Gebieten.
Wie kam es dazu, dass das Tollwut-Projekt auch in Nairobi stattfindet?
Wir haben bereits letztes Jahr darüber nachgedacht, das für uns sehr erfolgreiche Tollwut-Projekt von Narok auf Nairobi County auszuweiten. Aufgrund einiger politischen Umstände und den Wahlen letztes Jahr war es uns allerdings erst dieses Jahr möglich, das Projekt in die Stadt zu tragen. Zunächst haben wir in den zwei informellen Siedlungen Kangemi und Korongori begonnen, um zu schauen, wie die Menschen vor Ort auf uns reagieren und ob das Projekt generell Erfolg haben könnte. Wir befinden uns hier nämlich in sehr, sehr armen Gegenden – den Slums Nairobis. Die Menschen hier können es sich nicht leisten, ihre Hunde und andere Tiere zu impfen. Die meisten Menschen leben mit weniger als 1 Dollar pro Tag. Daher sind sie einem sehr großen Risiko ausgesetzt. Hinzu kommt, dass es hier wirklich sehr viele Hunde gibt – ungefähr 50.000 -100.000.
Wie reagieren die Menschen hier auf die Arbeit von Tierärzte ohne Grenzen?
Die Reaktionen der Menschen sind bisher wirklich überwältigend! Hauptsächlich weil wir die Impfungen kostenlos anbieten. Wir haben uns mit dem Veterinary Department von Nairobi County, dem Department of Veterinary Services und der Zoonotic Disease Unit von Nairobi zusammengetan. Sie haben uns beraten und logistisch unterstützt. Zum Beispiel haben sie uns mit kostenlosen Impfstoffen beliefert, weil sie gesehen haben, dass das Projekt gut von den Menschen hier angenommen wird. Sobald die Hundebesitzer in diesen Gebieten das verstanden hatten, konnten wir sehr schnell viel Vertrauen und Zuversicht unter den Menschen gegenüber unserer Arbeit feststellen. Vor allem die Menschen, die tief in den Slums wohnen, kommen nun zu unseren Impfstationen und lassen ihre Hunde und Katzen impfen. Aus diesem Grund sind wir sehr zuversichtlich, eine flächendeckende Impfung in diesen Gebieten zu erreichen und hoffentlich dadurch die Fälle von Tollwut in Nairobi zu senken.
Gibt es denn momentan Fälle von Tollwut in diesen Gebieten?
Das ist leider nicht ganz einfach zu sagen. Leider nehmen viele Menschen, die von Hunden gebissen werden, dies immer noch oft auf die leichte Schulter. Viele der Fälle von Tollwut werden daher nicht dem Gesundheitsamt gemeldet. Oftmals wissen die Menschen auch gar nicht, was im Falle eines Hundebisses zu tun ist. Soweit ich das einschätzen kann, gibt es aber jedes Jahr einige Fälle von Hundebissen und auch Tollwut in diesen Gebieten.
Was denkst du über die Zukunft des Projekts?
Am Anfang gab es sicherlich Zweifel, ob das Projekt Erfolg haben wird. Heute kann ich aber sagen, dass die Zukunft des Tollwut-Projekts wirklich sehr gut aussieht. Wir haben ja bereits in Narok County viele Hunde geimpft und sehr gute Erfahrungen sammeln können. Durch die sehr gute Zusammenarbeit mit den Behörden haben wir uns hier ein wirklich gutes Image und viel Vertrauen aufbauen können. Wir werden daher das Programm weiter durchführen und sogar ausbauen. Zusätzlich wollen wir das Projekt auf noch mehr Gebiete und Countys in Kenia ausweiten, auch in Hinblick auf den Plan der Regierung, bis 2030 tollwutfrei zu sein. Das ist mir ein sehr großes Anliegen, auch wenn ich weiß, dass es nicht einfach wird. Wir konnten aber – wie gesagt – bereits 50.000 Hunde impfen und somit auch einen großen Teil zum Plan der Regierung beitragen – vor allem in Hinblick auf Daten und Zahlen. Ich bin davon überzeugt, dass Tierärzte ohne Grenzen eine Hauptrolle in der Bekämpfung von Tollwut in Kenia spielen kann und wird.
Wie hat die Arbeit bei ToG Ihr berufliches Leben verändert?
Ich arbeite nun ja schon etwas länger für Tierärzte ohne Grenzen und kann sagen, dass die Arbeit mir persönlich eine Art „Marke oder Image“ verliehen hat. In Kenia spricht man momentan nur selten über Tollwut, ohne dabei nicht Tierärzte ohne Grenzen zu erwähnen, diese mit einzubeziehen und dabei auch meinen Namen zu erwähnen (lacht). 2014 habe ich für meine Arbeit eine nationale Auszeichnung (Den Tierarzt des Jahres) erhalten, auf die ich auch sehr stolz bin. Die Arbeit bei Tierärzten ohne Grenzen war dabei einer der Hauptgründe, dass ich den Preis erhalten habe. Ich hoffe daher, den Tierärzten auf meine persönliche Art und Weise verbunden zu bleiben und diese wichtige Arbeit, so lange wie man mich braucht, machen zu können. Mir ist es wirklich eine Herzensangelegenheit, die Gesundheit der Menschen und Tiere in diesem wunderschönen Land zu verbessern und für eine bessere Zukunft zu kämpfen.
Danke Ezra für das Interview!