Echinococcus granulosus: der Hundebandwurm

27.07.2024

Entwurmung als Bestandteil unserer Tollwutimpfkampagnen

Hund läuft auf grüner Wiese. _W

Ein Artikel von Dr. Igor Pilawski, Referent für Veterinärmedizin & One Health bei Tierärzte ohne Grenzen e.V.

Impfungen und Aufklärungskampagnen führen uns mitunter in weit entlegene, infrastrukturell wenig erschlossene Regionen. Fehlender Zugang zu Wasser sowie medizinischen Produkten und Dienstleistungen führt in diesen Gebieten leider häufig dazu, dass lebensmittel- bzw. hygieneassoziierte Infektionskrankheiten eine latente Bedrohung für Menschen und Tiere darstellen. Da diese Probleme multifaktoriell sind, gestalten wir unsere Interventionen immer möglichst umfassend, damit die Menschen und ihre Tiere von einem Besuch von Tierärzte ohne Grenzen auf möglichst vielen Ebenen profitieren können.

Ganz nach dem „Wenn wir schon mal da sind-Prinzip“ kombinieren wir unsere Tollwutimpfungen in Kenia, Uganda, dem Südsudan und neuerdings auch Äthiopien immer mit der Entwurmung von Hunden. Und einer der Gründe dafür hört auf den Namen Echinococcus granulosus: der Hundebandwurm.

Die Echinokokkose, d.h. die Erkrankung, die von einer Infektion mit dem Hundebandwurm verursacht wird, gehört zu den sog. vernachlässigten Tropenkrankheiten (engl. NTDs, neglected tropical diseases), fordert jährlich circa 20.000 Todesopfer und richtet ökonomische Schäden in Milliardenhöhe an. Der Erreger, E. granulosus, vermehrt sich klassischerweise in einem Hund-Wiederkäuer-Hund-Zyklus, d.h. der infizierte Hund scheidet Echinokokken-Eier über den Kot aus und kontaminiert somit Weideflächen von denen v.a. Schafe, Ziegen, Rinder oder auch Kamele fressen und so die Wurmeier peroral aufnehmen. Menschen infizieren sich primär über den Konsum kontaminierter Nahrungsmitteln (inkl. Wasser) sowie über den direkten Kontakt mit Hunden.

Zahlreiche Gegenden in Ostafrika, insbesondere die kenianische Provinz Turkana, weisen die weltweit höchsten Prävalenzen an E. granulosus auf.

Je nach Region können bis zu 65% aller Hirtenhunde sowie 5-7% aller Menschen mit dem Bandwurm infiziert sein. Auch wenn die Erkrankung in endemischen Gebieten häufig mild oder sogar klinisch inapparent (d.h. symptomfrei) verläuft, können die Folgen schwerwiegend sein. U.a. kann es zur Bildung blasenförmiger Zysten (sog. Hydatiden) in Organen wie Leber oder Lunge kommen. Komplizierte Verläufe können ohne chirurgische und/oder chemotherapeutische Behandlung zum Tod führen. Insbesondere die chirurgischen Interventionen stehen den Menschen in Ostafrika häufig nicht zur Verfügung oder sind finanziell unerschwinglich. Daher ist die Entwurmung von Hunden doppelt wichtig: einerseits kann so der Infektionsdruck auf Tiere und Menschen gesenkt werden, andererseits können so schwere Verläufe bei Menschen, die sich keine adäquate Behandlung leisten können, verhindert werden.

Auch Aufklärung über die Infektionswege leistet hier einen entscheidenden Beitrag: Hunde infizieren sich primär über Organe befallener Nutztiere, die ihnen nach der Schlachtung gewöhnlicherweise überlassen werden. Hinzu kommt, dass sich Hunde auch häufig problemlos Zugang zu den nicht gesicherten Abfällen von Schlachthöfen oder privaten Haushalten verschaffen können. Auch sorglos beseitigter Haushaltsmüll kann streunende Hunde anziehen und den Infektionsdruck erhöhen.